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Theorem vom komparativen Vorteil - Transformationskurve

 
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Für diesen Text sind Vorkenntnisse erforderlich:

LinkTransformationskurve
LinkTheorem vom komp. Vorteil
LinkOpportunitätskosten

Ricardos Interner LinkTheorem vom komparativen Vorteil lässt sich besonders gut mit Hilfe von Transformationskurvendiagrammen illustrieren. Wir betrachten dazu ein Zahlenbeispiel, in dem wie in Ricardos Originalbeispiel England und Portugal mit Tuch und Wein handeln. Allerdings verwenden wir Beispielwerte, mit denen sich leichter rechnen lässt und durch welche sich die Kurvenverläufe in den Diagrammen für beide Länder deutlicher voneinander unterscheiden lassen.

Wir gehen von folgenden Annahmen aus:

  1. Arbeit ist einziger Produktionsfaktor.
  2. Das Angebot an Arbeit in beiden Ländern ist fix.
  3. Arbeit ist zwischen den beiden Sektoren (Weinproduktion, Tuchproduktion) vollkommen mobil.
  4. Arbeit ist international vollkommen immobil.
  5. Gegebene, lineare Technologien, die aber in beiden Ländern unterschiedlich sind.

Die Technologie beschreiben wir über die sogenannten Arbeitsinputkoeffizienten. Darunter versteht man, wie viele Einheiten Arbeit für die Anfertigung einer Produktionseinheit im Schnitt notwendig sind. Wir nehmen an, dass Portugal England sowohl bei der Herstellung von Wein als auch bei der Herstellung von Tuch technologisch überlegen ist, also für die Erzeugung einer Produkteinheit jeweils weniger Arbeitskräfte als England benötigt. England ist das größere Land und verfügt daher über mehr Arbeitskräfte. Die nachstehende Tabelle informiert zusammenfassend über die Technologie und die Faktorausstattung in beiden Ländern.

 

Arbeitsinputkoeffizienten

Arbeitsmenge
(Arbeitskräfte)
  Wein Tuch
Portugal 2 2 160
England 6 3 300
Tabelle 1: Technik und Ressourcen
Aus diesen Angaben lassen sich die maximalen Produktionsmengen beider Länder bei Autarkie berechnen:

  Maximale Produktionsmenge
  Wein Tuch
Portugal 80 80
England 50 100
Tabelle 2: Produktionsmöglichkeiten

Diese Werte übernehmen wir für beide Länder in die jeweiligen Interner LinkTransformationskurvendiagramme:

Abb. 1
Abbildung 1: Produktionsmöglichkeitengrenze

Aus den Steigungen der Transformationskurven können wir die Interner LinkOpportunitätskosten der beiden Länder für Wein ablesen. In Portugal "kostet" eine Einheit Wein eine Einheit Tuch. England muss für eine Einheit Wein aber zwei Einheiten Tuch aufgeben. England hat also sowohl einen absoluten als auch einen komparativen Nachteil bei der Produktion von Wein.

Auch bei der Tuchproduktion hat England einen absoluten Nachteil, denn Portugal benötigt für die Herstellung einer Einheit Tuch nur zwei, England aber drei Arbeitskräfte. England hat in der Tuchproduktion gegenüber Portugal jedoch einen komparativen Vorteil, denn in England kostet eine weitere Einheit Tuch nur den Verzicht auf eine halbe Einheit Wein. Die Portugiesen müssen für eine Einheit Tuch eine ganze Einheit Wein aufgeben. Wenn es zwischen beiden Ländern zu Handel käme, würde England also Tuch exportieren und Wein importieren.

Im nächsten Schritt konstruieren wir die Transformationskurve für die gesamte Welt. Die maximalen Produktionsmengen beider Güter in der Welt sind natürlich durch die Summe der maximalen Produktionsmengen in den beiden Ländern gegeben:

  Maximale Produktionsmenge
  Wein Tuch
Portugal 80 80
England 50 100
Welt 130 180
Tabelle 3: Produktionsmöglichkeiten in der Welt
Wenn auf dem Weltmarkt für eine Einheit Wein 3 Einheiten Tuch getauscht werden könnten, würden alle Unternehmen in England und Portugal nur Wein produzieren wollen. Selbst in England lohnte sich die Weinproduktion, denn man müsste dort für eine Einheit Wein 6 Arbeitskräfte beschäftigen. Dafür könnte man aber 3 Einheiten Tuch eintauschen, für deren Herstellung man zuvor 9 Arbeitskräfte benötigt hätte. Solange das Wein-Tuch-Preisverhältnis über 2 liegt, bleiben beide Länder auf die Produktion von Wein spezialisiert und erzeugen zusammen 130 Einheiten (s. Punkt W in Abb. 2).

Wenn der Weinpreis auf 2 Tuch fiele, ginge der Vorteil der Spezialisierung auf Wein in England verloren, denn für eine Einheit Wein müssten ja 6 Arbeitskräfte beschäftigt werden. Wenn man dafür genau 2 Einheiten Tuch erlöste, dann könnte man das Tuch mit 6 Arbeitskräften ebenso gut selbst herstellen. Für Portugal lohnte es sich nach wie vor, nur Wein herzustellen.

Fiele der Weltmarktpreis für (eine Einheit) Wein unter 2 (Einheiten) Tuch, würde sich England voll auf die Produktion von Tuch spezialisieren. Portugal bliebe weiterhin auf die Produktion von Wein spezialisiert, solange der Weinpreis nicht den kritischen Wert von 1 Einheit Tuch erreichte. Bei Weltmarkt-Weinpreisen zwischen 2 und 1 Tuch sind also beide Länder voll spezialisiert. Diese Situation wird in Abbildung 2 durch den Punkt R angezeigt, der mitunter auch Ricardo-Punkt genannt wird.

Bei einem Weinpreis von 1 Tucheinheit ist es für die Unternehmen in Portugal gleich, ob sie Wein oder Tuch produzieren, da sie für beide Produktionen je Einheit die gleiche Zahl an Arbeitskräften benötigten. Fiele der Preis für Wein allerdings unter 1 Tuch, dann würde sich auch Portugal voll auf die Produktion von Tuch spezialisieren (s. Punkt T in Abb. 2).

Abb. 2
Abbildung 2: Welt-Produktionsmöglichkeitengrenze

An der gestrichelten Linie können Sie die Produktionsmöglichkeiten der Welt für den Fall ablesen, dass sich die beiden Länder falsch spezialisieren würden. Im Knickpunkt würde England 50 Einheiten Wein und Portugal 80 Einheiten Tuch herstellen.

Es lässt sich ohne genauere Betrachtung der Nachfrage nicht sagen, welches Preisverhältnis sich zwischen Wein und Tuch einstellen wird, da die Preise wesentlich von den Wünschen der Bevölkerung abhängen. Es sein unterstellt, dass sich beide Länder voll spezialisieren und 30 Einheiten Wein gegen 45 Einheiten Tuch tauschen. Der Weinpreis läge dann bei 1,5 Einheiten Tuch. Die Situation ist in der folgenden (maussensitiven) Abbildung dargestellt:

Abbildung 3: Konsummöglichkeiten [Maussensitives Diagramm]

Die Produktionspunkte der beiden Länder sind jeweils durch den Buchstaben P gekennzeichnet und länderspezifisch indiziert (England = E, Portugal = P). Die in den Ländern produzierten Mengen sind nicht mit den konsumierten Mengen identisch, da beide Länder Güter im- und exportieren. Die für den Konsum zur Verfügung stehenden Mengen sind jeweils mit dem Buchstaben K gekennzeichnet.

Es lässt sich einfach nachrechnen, dass die konsumierten Mengen an Wein und Tuch auch tatsächlich hergestellt werden können. Insgesamt werden 100 (=45+55) Einheiten Tuch in England und 80 (=50+30) Einheiten Wein in Portugal erzeugt. Auf der Welttransformationskurve befinden wir uns also im Ricardo-Punkt.

Aus eigener Kraft hätten weder England noch Portugal die Konsummengen in ihren Ländern herstellen können, da diese jeweils außerhalb ihrer Produktionsmöglichkeiten liegen. Durch den Handel kann es also den Menschen in beiden Ländern besser gehen.

Wie die beiden Länder den Handelsgewinn untereinander aufteilen, lässt sich mit diesem Modell ohne weitere Annahmen nicht beantworten. Wir können nur Folgendes feststellen: Bei jedem Preisverhältnis zwischen 1 und 2 Einheiten Wein für eine Einheit Tuch lohnt sich der Handel für beide Länder. Bei einem Preisverhältnis von 1:1 fiele der gesamte Handelsgewinn England zu und Portugal hätte keinerlei Vorteil. Umgekehrt fiele bei einem Preisverhältnis von 2:1 (Einheiten Wein für eine Einheit Tuch) der gesamte Gewinn Portugal zu.

Ob es tatsächlich allen Engländern und Portugiesen mit Handel besser geht als ohne Handel, hängt davon ab, wie die Gewinne aus dem Handel in den Ländern verteilt werden. Wir haben hier angenommen, dass Arbeit zwischen den Sektoren vollkommen mobil ist und unterstellen damit implizit, dass es keinerlei Anpassungskosten gibt. In der Realität wird aus einem Winzer aber nicht von jetzt auf gleich ein Weber. Während sich zwar theoretisch unzweifelhaft feststellen lässt, dass beide Länder aus dem Handel Gewinne realisieren, muss das nicht zugleich bedeuten, dass auch jeder einzelne Einwohner der beiden Länder zu den Gewinnern gehört.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie seien ein Winzer in einem autarken England. Sie lesen in der Zeitung, dass die Regierung demnächst Handelsbeziehungen zulassen will. Erste Supermärkte haben schon begonnen, Prospekte zu drucken, in denen portugiesischer Wein zu Niedrigstpreisen beworben wird. Muss Ihnen da nicht angst und bange werden?

Natürlich muss es das, denn Sie werden ein Verlierer des Handels sein. Sie bekommen plötzlich Importkonkurrenz. Die Weinpreise drohen zu fallen. Und wenn es nicht schon geschehen ist, spätestens jetzt treten Sie dem Winzerverband bei. Und Sie werden nachdenken über Kampagnen wie "Rettet den englischen Wein!".

Hingegen zählen die Tuchproduzenten in England zu den Nutznießern des Handels. Die Nachfrage nach ihren Produkten steigt, da sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind.

Da das Land insgesamt gewinnt, sind die Gewinne der Tuchproduzenten größer als die Verluste der Weinproduzenten. Durch eine geschickte Umverteilung könnte man also dafür sorgen, dass am Ende alle zu Gewinnern werden. Aber sie ahnen schon, was die Tuchhersteller zu einer solchen Umverteilung sagen würden.

Zum Nachdenken
  1. "Wenn in der Welt effizient produziert werden soll, muss sich (bei der hier unterstellten linearen Technologie) wenigstens eines der beiden Länder voll spezialisieren." Ist diese Aussage richtig oder falsch?
  2. Im Beispiel spezialisieren sich beide Länder voll. Welche Gründe könnten dagegen sprechen?
  3. Im Zahlenbeispiel ist England gemessen an der Anzahl der Arbeitskräfte etwa doppelt so groß wie Portugal. Wären die Ergebnisse grundsätzlich andere, wenn die Länder etwa gleich groß wären? Wären die Ergebnisse grundsätzlich andere, wenn ein Land wesentlich größer wäre als das andere?
  4. "Wenn jeder frei ist, zu tauschen oder es zu unterlassen, dann gibt es bei einem Tausch nur Gewinner." Stimmt das?